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Die Bank








        Durfte auch er nicht sprechen?      Jetzt musste es geschehen. Es lag    Taschenuhr meines Großvaters,
        Kurz nach 14 Uhr, die Mittags-      nicht in meiner Hand.                die ich als junger Mann ständig
        sonne versteckte sich hinter einer   War da ein kurzes Zucken in sei-    benutzt hatte und die dann plötz-

        der Fichten, lag unsere Bank im     nen Augen, ein kleiner Blitz, aber   lich verschwunden war, wohl
        wohltuenden Schatten.               doch ein Blitz?                      gestohlen? Aber diese Uhr zu fin-
        Hielt er mich für einen Betrüger,   Dann trennten wir uns.               den, zurückzugeben, lag nicht in
        einen Lügner?                       Ich hatte zirka eine halbe Stunde    ihrer Macht, denn die Wahrheit
        Wie konnten sie überhaupt glau-     bis zu meiner Wohnung zu gehen.      lag näher der Ohnmacht als der
        ben, dass die Wahrheit irgend so    Plötzlich dachte ich an die Beloh-   Allmacht.
        etwas wie ein Paket sein konnte?    nung. Ich hatte sie vergessen, denn   Plötzlich bog aus der ersten Sei-

        Nun, jetzt war ich gefragt, schließ-  ich hätte auch ohne ihre Ankün-    tenstraße eine junge Frau, so um
        lich hatte ich ja in dieses Spiel ein-  digung die Wahrheit übergeben.   die Dreißig. Dass sie auf mich zu-
        gewilligt, die Wahrheit zu überge-  Etwas neugierig war ich trotzdem.    kam, war sofort klar.
        ben, auch mit dem Wissen, dass      Ich näherte mich der Innenstadt,     Sie reichte mir die Hand. Ich
        sie nicht auf die Bank zu legen sein   ließ die Straßenbahn passieren    wollte schon, da sie mir fremd
        wird.                               und überquerte dann die Ring-        war,  verneinend  weitergehen,
        Ich erhob mich, der Bote runzelte   straße. Am Park entlang, die zwei-   als ich wieder an die Belohnung
        die Stirn. Scheinbar durfte auch    te Straße rechts, das dritte Haus    dachte und ihr ebenfalls grüßend
        er nicht reden. Ich begann, mich    links, 2. Stock, dort wo alle Fens-  die Hand gab.

        zu verabschieden, indem ich ihm     ter  noch offen  stehen  müssten,    Oh, sie hatten die  Wahrheit
        die Hand reichte. Ich tat das et-   dort war ich zu Hause.               schon weitergegeben!
        was theatralisch, damit er sehen    Mit was konnte man mich über-        Die  Wundmale begannen wie-
        konnte, dass meine Hand leer war,   haupt belohnen? Mit Geld, Ehre,      der zu bluten.
        nichts in ihr, nichts versteckt.    etwas Persönlichem? Vielleicht et-
        Er zögerte, mir die Hand zu ge-     was, was ich einmal verloren hatte
        ben. Ich schaute ihm in die Au-     und was mir zumindest damals

        gen, direkt, fest. Ich sah, dass er   sehr  wertvoll gewesen  war?  Die
        begriff, dass es nötig war, sich auf
        mich einzulassen.
        Schließlich reichte er mir ebenfalls
        die Hand.




















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