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Chance und fuhr nach Hause, um Mit 15 Jahren bin ich enorm in die
Freunde////// mich schicker anzuziehen. Jetzt Höhe geschossen. Eine meiner Tan-
war mir wohler. Kurz danach sagte
ten sagte fast jedes Mal, wenn sie
eine andere Ehefrau, sie müsse auch
eben nach Hause, um sich frisch zu mich sah: „Der wird ja immer lä!“
Und das in einem ruppigen Ton, den
nennen/////// machen. Ich musste schmunzeln, ich heute noch in den Ohren habe.
Beispiele//// als sie dann leger gekleidet zurück- Gleichzeitig beobachtete ich meine
kam. Sie war mir von da an richtig
Kollegen, die z.T. durchtrainierte
sympathisch!“ (Barbara) Körper hatten. Ich erlebte diese Zeit
als sehr schambesetzt. Um meinen
„Zum ersten Mal in meinem Leben dünnen Oberkörper zu verbergen,
„Kleider machen Leute“ sagt man bin ich zu einem Kindergeburtstag zog ich zwei, drei T-Shirts übereinan-
und so habe ich mir schon einen eingeladen. Ich bin sechs Jahre alt der an, was aber mit der Zeit etwas
Kopf gemacht, was ich als Frau des und bin voller prickelnder Vorfreu- aufwendig wurde mit dem Waschen,
Betriebsleiters bei einer großen be- de. Ich bin gewollt. Was kann ich als was wiederum unangenehm war,
trieblichen Feier anziehe. Befragen Geschenk mitbringen? Alles dreht weil meine Mutter, die mir die Wä-
konnte ich nur meinen Mann, dem sich in meinem Leben um diese Ge- sche besorgte, mit der Zeit dahinter
Kleidung total egal ist. Ich kannte burtstagseinladung. Ernüchterung kam, wieso ihr Sohn einen so hohen
niemanden sonst. „Da musst du – meine Eltern lassen mich mit T-Shirt V erbrauch hatte. In meiner
nichts Besonderes anziehen und dieser Frage alleine. Endlich besorgt Erinnerung war das ein mühsamer
kannst kommen wie immer“, sagte eine alte Tante eine Tafel Schokola- Kreislauf, der irgendwann, ich weiss
er. Also ging ich in einer schicken, de, sie packt sie auch sehr schön ein, nicht mehr wie, ein Ende nahm.
hellen Caprihose und schönen San- aber am Ehrentag meiner Freundin Das war in den siebziger Jahren.
dalen. Ich fühlte mich wohl – bis ich sticht diese kleine Tafel doch auffal- Heute beobachte ich den Trend, dass
die anderen Damen der Führungs- lend aus den anderen Geschenken die Jungs ins Fitnesszentrum ge-
riege in Cocktail- und Etuikleidern heraus. Auch wenn vor 54 Jahren hen und nicht T-Shirts anziehen,
begrüßen musste. Da fühlte ich alles noch ein bisschen anders war, um ihre „Muckis“ aufzupolieren.
mich klein, ganz und gar nicht zuge- es war einfach kein „richtiges“ Ge- Kürzlich las ich, dass schmächti-
hörig und wäre am liebsten unsicht- schenk. Ein paar Wochen später ge Männer eher zu Hause bleiben
bar gewesen. Ich war sehr verunsi- sagt mir diese Freundin im Streit im Sommer, aus Scham. Oh weh...
chert. Zwischen Nachmittags- und auch noch, dass meine Schokolade wo sind wir gelandet? Schmächtige
Abendprogramm nutzte ich die schimmlig gewesen ist.“ (Renate) Männer, zeigt euch! (Thomas)
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