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gehalten: Du brauchst dich nicht zu schämen
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Häufig bin ich im Zug unter- Bibel erst einmal in meiner Tasche. die Perlen nicht vor die Schweine
wegs, meistens über Frankfurt in Man kann ja auch so beten. werfen sollte. Ich wusste, was Jesus
die Schweiz. Aber ich kann es nicht vor mir ver- dazu gesagt hätte, wobei ich für
So hat es sich mit der Zeit erge- bergen, dass ich mich eigentlich keinen Augenblick an seiner Liebe
ben, dass ich den ersten Abschnitt schäme und alles in mir um den zu mir zweifelte.
am Morgen von Würzburg nach Gedanken kreist, was der andere Was ist richtig zu tun, wenn man
Frankfurt zum Gebet und zur Bi- wohl denken würde, wenn er mich sich schämt?
bellese nutze. Ich ertappe mich da- in der Bibel lesen sähe. Irgendwann zog ich doch mei-
bei, dass ich möglichst einen Ein- Ja, ich schämte mich, ich versteck- ne Bibel heraus. Soviel wusste ich
zelplatz ansteuere, um ungestört zu te mich, fühlte mich unbehaglich, schon, dass Schamgefühle mich
sein. hatte Angst, von meinem Nach- belogen. Nach einiger Zeit wandte
So auch dieses Mal. Ich sitze al- barn abgewertet zu werden, und sich mein Nebenmann mir zu und
leine. Doch als ich gerade meine war unfähig, irgendetwas dagegen fing an, über die Unpünktlichkeit
Bibel aufschlagen will, setzt sich zu tun. Da halfen auch keine Aus- der Bundesbahn zu schimpfen. So-
jemand neben mich. Ich lasse die reden, etwa der Gedanke, dass man fort war mit klar: Er hatte weder
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