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Editorial
Lieber Leser, „Ich darf sein. Auch mit meinen
aus den 1950er Jahren berichtete ein Fehlern.“
Missionar von folgender Erfahrung: Ich denke, jeder hat sich schon ein-
Der Ort seines Dienstes war in einer mal geschämt. Es ist Zeit, mehr
„kleiderlosen Kultur“. Als er dort an- darüber nachzudenken und gegen
kam, irritierte ihn das natürlich sehr. Beschämung und falsche Scham
Er und seine Frau verlangten von aufzustehen und den Kopf zu erhe-
ihrem einheimischen Dienstmäd- ben.
chen, zumindest einen Rock zu tra- Dazu lädt Sie diese ge|halt|voll-Aus-
gen. Das tat dieses Dienstmädchen, gabe ein.
aber immer wenn sie zum öffentli-
chen Brunnen musste, um Wasser
zu holen, zog sie vor Scham ihren Werner May, Herausgeber
Rock hoch übers Gesicht, um sich
vor den anderen aus ihrem Stamm
zu verstecken.
Sich dem Phänomen Scham theore-
tisch anzunähern, ist keine einfache Foto: Anja Legge
Angelegenheit. Das innere Erleben
von starker Scham betroffener Per-
sonen dagegen deckt sich weltweit:
Ähnlich wie das Dienstmädchen Hennry Wirth, Creative Director
möchte man am liebsten verschwin-
den, in den Boden abtauchen.
Wie ganz anders fühlt sich das Ge-
genteil an, sich mit erhobenem
Haupt in Würde und Respekt be-
wegen zu können, und das überall:
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